Wenn Technik sich ständig verändert: Dokumentation in der Recyclingtechnik
Recyclinganlagen sind keine Maschinen „von der Stange“. Sie sind Unikate – oft über Jahre gewachsen, erweitert, angepasst und optimiert. Denn neue Materialien, veränderte gesetzliche Vorgaben oder technologische Weiterentwicklungen führen dazu, dass Stillstand selten und Veränderung die Regel ist.
Genau hier wird Technische Dokumentation zum kritischen Faktor: Sie muss nicht nur den Ist-Zustand korrekt abbilden, sondern strukturell bereit sein für das, was kommt.
In einem unserer Projekte sollte die gesamte Dokumentation für eine moderne Wertstoffsortieranlage neu aufgesetzt werden – modular, CE-konform, zielgruppengerecht und zukunftssicher.
Was diese Anlage besonders machte:
➡️ Hohe Variantenvielfalt durch kundenspezifische Umbauten (z. B. Austausch einzelner Komponenten, neue Fördersysteme, wechselnde Einwürfe)
➡️ Integration von KI-basierter Sortiertechnik, etwa zur Erkennung von Kunststoffarten per Nahinfrarotsensorik
➡️ Automatisierte Fernwartung via VPN-Zugriff, was neue Anforderungen an Betriebs- und Sicherheitshinweise stellte
➡️ Strenge Auflagen durch das neue ElektroG und die europäische WEEE-Richtlinie, die sich auf Kennzeichnungspflichten, Entsorgungsnachweise und Rückverfolgbarkeit auswirken
Für die Dokumentation bedeutete das: hohe technische Tiefe und gleichzeitig klare Struktur für verschiedene Zielgruppen – vom Bediener am Förderband bis zum Auditor im Rahmen der CE-Zertifizierung.
Wie wir vorgegangen sind:
Der erste Schritt war, ein vollständiges Anlagenverständnis aufzubauen. Nicht nur die Mechanik, sondern auch die Logik hinter der Sortierung, die Anforderungen an Materialien und die automatisierten Abläufe mussten erfasst werden.
Wir haben dazu Konstruktionsunterlagen, Steuerungspläne, Bedienoberflächen und reale Arbeitsabläufe ausgewertet und eng mit den Fachabteilungen gesprochen, um Sonderlösungen, sicherheitsrelevante Punkte und versteckte Risiken zu identifizieren.
Ein zentrales Thema war die Gefährdungsbeurteilung nach Maschinenrichtlinie. Gerade bei Anlagen mit beweglichen Teilen, Zugriffsmöglichkeiten im laufenden Betrieb und sich ständig ändernden Einwürfen ist die Risikoanalyse besonders komplex.
Gemeinsam mit dem Kunden haben wir Sicherheitsfunktionen, Verriegelungssysteme und Wartungszugänge sauber dokumentiert und mit normgerechten Sicherheitshinweisen ergänzt.
Was war redaktionell besonders anspruchsvoll?
Die Balance zwischen Standardisierung und Flexibilität musste geschaffen werden: Wiederverwendbare Module für gleichbleibende Prozesse, aber ebenso dynamisch erweiterbare Inhalte für Anlagenumbauten, damit die gesamte Dokumentation nicht jedes Mal neu geschrieben werden muss.
Zusätzlich war die Übersetzbarkeit in über 10 Sprachen gefordert, bei gleichzeitig technischer Präzision und normgerechter Terminologie sowie eine Zielgruppenansprache in drei Ebenen, die alle andere Informationen in unterschiedlicher Tiefe und mit anderen Schwerpunkten benötigen:
➡️ Schritt-für-Schritt-Anleitungen mit vielen Bildern für Bedienpersonal
➡️ Technische Prüf- und Wartungshinweise für Serviceteams
➡️ CE-relevante Dokumente, Nachweise und Konformitätserklärungen für Auditoren
Zusätzlich haben wir ein Konzept zur Änderungsverfolgung entwickelt, das auch kleinere Umbauten nachvollziehbar dokumentiert – für maximale Transparenz im gesamten Lebenszyklus.
Was dieses Projekt gezeigt hat:
Recyclingtechnik ist weit mehr als Maschinenbau. Sie ist ein Zusammenspiel aus Technik, Materialkenntnis, Umweltschutz, Regulierung und IT. Hier entsteht gute Dokumentation nicht im Nachhinein, sondern wächst mit der Technik und lebt von einer durchdachten Struktur.
Wer hier dokumentiert, muss also nicht nur schreiben, sondern verstehen. Denn nur mit technischem Einblick, redaktioneller Erfahrung und einem klaren Informationsmodell entsteht eine Dokumentation, die hält, was sie verspricht: verständlich, anpassbar und rechtssicher.
Nächste Woche gehen wir in die Welt der Pumpentechnik – scheinbar einfache Produkte mit erstaunlicher Komplexität.
Viele Ausführungen, viele Optionen, viele Details. Wir zeigen, wie man aus einer Vielzahl ähnlicher Produkte eine saubere, differenzierte Dokumentation aufbaut und was dabei besonders zu beachten ist.